The Outsourced Self – wir leben in einer Welt in der wir Dienstleistungen für persönliche Tätigkeiten und emotionale Bedürfnisse kaufen können. Die zunehmende Ökonomisierung des Privatlebens hinterlässt zunehmend tiefe Spuren in unseren Beziehungen und unserer Psyche.
Ob es sich nun um den Liebescoach für die Suche nach dem Lebenspartner, den Hochzeitsplaner, den „Gassigeher“ für unsere Vierbeiner, den Fotoalbumhersteller, der die eigenen Bilder sortiert, den Geburtstagsanimateur oder den Sauberkeitserzieher und Schlaftrainer handelt –
The Outsourced Self
Wir leben in einer neuen Welt wo im Privatleben vormals selbst Gemachtes und Gefühltes immer mehr an professionalisierte ExpertInnen übertragen wird. „Ich versuche, so viel meines Lebens wie möglich auszulagern, um Zeit für das zu schaffen, was ich am besten kann, und das ist eine Fundraiserin zu sein.“ – so eine Klientin, eine berufstätige Mutter die das Prinzip des komparativen Vorteils, nach dem sich Firmen auf das konzentrieren sollen, was sie am besten können, an sich selbst anwandte.
Die Kommerzialisierung emotionaler Bedürfnisse
„Die Kommerzialisierung emotionaler Bedürfnisse hat einen starken Effekt darauf, wie Menschen über sich und ihr Leben denken“, so Lisa Tomaschek-Habrina Gesundheitscoach und Leitung des Departements Burnoutprävention und Resilienztraining der ESBA. „Viele von uns haben angefangen, intime Aspekte ihres Lebens aus der Sicht von Käufern zu betrachten.“ Das Ergebnis zählt, das Resultat ist entscheidend und nicht mehr die kleinen Schritte dorthin. „Nehmen Sie einen Kindergeburtstag- am Ende muss alles perfekt funktionieren damit unseren Kleinen an nichts fehlt. Das gemeinsame Einladungen Entwerfen und Aufblasen von Luftballons, das Kuchenbacken und Dekorieren, das Aussuchen der Spiele bei der Party, all die Dinge, die früher wichtig und entscheidend waren, stehen nicht mehr im Mittelpunkt und werden damit ihrer Bedeutung beraubt. “
Nicht der Prozess – das Ergebnis ist wichtig.
Ein Vater, der ein Fest für seine kleine Tochter organisiert hatte, war ganz frustriert, da die eingeladenen Kinder bisher nur professionelle Animateure gewohnt waren. Mit seinen Spielen und Späßen konnten sie nichts anfangen. Eine andere Mutter gab ihm den Rat, solche Feiern Profis zu überlassen. „Er hatte große Zweifel, er müsse doch als Vater wohl am besten wissen, was seine fünfjährige Tochter zum Kichern bringt.“
Eigene Fähigkeiten nicht mehr gut genug
Durch das Outsorcing werden ganz neue, oft viel höhere Standards in das Privatleben eingeführt. Die eigenen Fähigkeiten sind plötzlich nicht mehr gut genug. „Wenn ich einen professionellen Liebescoach engagierte, dann auch deshalb, weil er besonders gut darin ist, einen Liebesbrief zu schreiben.“ , so Tomaschek-Habrina. „ Die eigenen Fähigkeiten werden sukzessive abgegeben, aber nicht mehr selbst entfaltet oder gar versucht sie zu entwickeln. Die Freude jedoch über eine selbst gebackenen Kuchen, der auch noch schmeckt, ist unvergleichlich größer, als über einen Fixundfertigkuchen, der im Supermarkt um die Ecke in 2 Minuten erstanden wird.“
Das Leben wird unpersönlich
Menschen haben mehr und mehr das Gefühl, dass ihr Leben irgendwie nicht persönlich genug ist, es an ihnen vorüberzieht, es ihnen entgleitet. Da fehlt etwas. Ein Paar engagiert eine Hochzeitsplanerin, beide sind beruflich sehr eingesetzt und haben keinen Plan und Angst wie eine angemessene Hochzeitsfeier aussehen soll. Die Planerin nimmt ihnen die Angst ab, sie kümmert sich um Befürchtungen und Unsicherheiten. Die eigenen Fähigkeiten des Paares, mit emotional schwierigen Situationen umzugehen, wurden dadurch sicher nicht gestärkt. Das soll nun kein Veto zu HochzeitsplanerInnen sein – die haben ihre Berechtigung. Hätten die beiden ein paar Freunde zusammengetrommelt, und das Fest gemeinsam organisiert, sich um das Essen und die Blumen gekümmert wäre das Gefühl der eigenen Beteiligung und Teilhabe sicher anders gewesen. Diese Beispiele werfen die Frage auf, welches Wissen und welche Fähigkeiten müssen wir haben, damit unser persönliches Leben auch persönlich bleibt, und kein Abziehbild des uns im beruflichen Kontext bekannten Wirtschaftslebens ist, dass nach Effizienz und Profit strebt.
Eingebettet im gemeinsamer Bedeutungsraum
Welche Alternativen existieren, diese Bedürfnisse zu befriedigen? Wie sehen die Beziehungen, das soziale Eingebettet sein aus? Haben wir Freunde, die wir zurate ziehen können, an die wir uns wenden können, und die auch uns an ihrem Leben teilhaben lassen. Wir leben heute in einer sehr verarmten Gemeinschaft. Wir haben lange Arbeitstage, sodass uns gar keine Zeit für Freundschaftspflege bleibt. Wir benötigen diese soziale Resonanz, die emotionale Ansteckung. Der bekannte Neurobiologe Joachim Bauer sagt: „Der gemeinsame Bedeutungsraum ist nicht nur eine psychologische Lebensbedingung, sondern wird auch vom Körper registriert, er schlägt sozusagen auf seine Biologie und die medizinische Gesundheit durch.“ (Bauer, 2005, S.17)
Der Teufelskreis des Marktes
Auf der einen Seite führen die Marktkräfte dazu, dass wir lange arbeiten müssen, weil unsere Jobs unsicherer werden. Wir haben wenig Zeit, ziehen oft um, sodass wir kaum dazu kommen, enge Bande mit Nachbarn und Freunden zu knüpfen. Gestresst überarbeitet und unsicher wenden wir uns dann an die andere Seite des Marktes und fragen Dienstleistungen nach, die uns bei den Problemen helfen, die der Markt überhaupt erst hervorgerufen hat. „Um die Dienste zu bezahlen, die wir brauchen, müssen wir uns beruflich stärker anstrengen und haben immer weniger Zeit für die Menschen in unserer Umgebung, die eine Alternative für kommerzielle Dienste wären. Und wenn dieses System einmal etabliert ist, sind wir darin gefangen.“, so Tomaschek-Habrina
Alternativen zum privaten Outsourcing
Outsourcing hat natürlich auch viele Vorteile, besonders für Frauen. Sie können eher berufstätig sein, weil Tätigkeiten wie Haushalt, Kinderbetreuung und Altenpflege leichter ausgelagert werden können. Dies ist auch ein guter und notwendiger Teil der modernen Welt. Man muss sich nur im Klaren sein, dass solche Dienste auch eine eigene Ideologie verbreiten, was Konsumenten brauchen. Der Trend zur „alles kann man kaufen Welt“ ist sehr groß.
Eigene Präferenzen und Prioritäten setzen
„Umso wichtiger wird es sein, sich der eigenen Präferenzen und Prioritäten bewusst zu werden, mit welchen Aspekten des Lebens man verbunden sein will und von welchen man sich distanzieren kann, damit das Leben persönlich bleibt. Jeder muss für sich selbst hier die Entscheidung fällen, was will und kann ich noch selbst machen, weil es mir ein Anliegen ist, weil das mein Leben ausmacht, und was kann ich getrost abgeben an Professionisten, weil es keine Bereicherung in meinem emotionalen Leben ist.“
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